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27.5.–
1.6.2025

Por­trät

Yann Gon­za­lez (*1977 in Frank­reich) ist ein Grenz­gän­ger. In sei­nen Fil­men ver­schwimmt das Sehn­süch­ti­ge mit dem Obsku­ren, das Emo­tio­na­le mit dem Bru­ta­len, das Traum­haf­te mit dem Rät­sel­haf­ten. Sei­ne Erzäh­lun­gen drin­gen stets in die Tie­fen der mensch­li­chen Exis­tenz vor, sei­ne Figu­ren sind Getrie­be­ne auf oft sur­rea­len Rei­sen, die ver­su­chen, Lie­be und Erlö­sung zu fin­den. Gon­za­lez’ Risi­ko­be­reit­schaft, die Gren­zen des kon­ven­tio­nel­len Kinos zu über­schrei­ten und dabei eben­so rausch­haft thea­tra­lisch wie unver­hoh­len cine­phil zu arbei­ten, las­sen nie­man­den kalt.

Man soll­te kei­ne Angst vor Emo­tio­nen haben“, sag­te der Regis­seur ein­mal in einem Inter­view. Als Zuschau­er ist es für mich ein grund­le­gen­der Teil des Film­se­hens: Ich gehe ger­ne ins Kino, um zu wei­nen.“ Gon­za­lez – sei­nes Zei­chens auch Bru­der und enger Kol­la­bo­ra­teur von M83-Front­man Antho­ny Gon­za­lez – wird als Artist-in-Resi­dence einen Monat in Wien ver­brin­gen, beim Fes­ti­val ein Pro­gramm sei­ner Kurz­fil­me prä­sen­tie­ren, mit einem Film­still das dies­jäh­ri­ge Pla­kat zie­ren und nicht zuletzt mit dem Trai­ler für die dies­jäh­ri­ge Aus­ga­be qua­si all­ge­gen­wär­tig sein.

Gon­za­lez ist ein Tau­send­sas­sa, arbei­tet als Künst­ler, Autor, Regis­seur und Pro­du­zent. Schon bevor er mit sei­nem Spiel­film­de­büt Begeg­nun­gen nach Mit­ter­nacht (2013), einer ero­ti­schen Komö­die mit Kate Moran sowie Béa­tri­ce Dal­le und Fuß­ball­star Eric Can­to­na (!) in klei­ne­ren Rol­len, für Furo­re sorgt, haben ihm sei­ne mys­te­ri­ös-pro­vo­kan­ten Kurz­fil­me eine Art Kult­sta­tus ein­ge­bracht. Nicht zuletzt Wir wer­den nie wie­der allei­ne sein (2012) könn­te auch als Mot­to für all jene die­nen, die in die­sem inten­si­ven Kino für Außen­sei­ter und Aus­ge­sto­ße­ne eine Hei­mat gefun­den haben.

Mit sei­nem Kurz­film Inseln gewinnt er 2017 die que­e­re Pal­me bei den Film­fest­spie­len in Can­nes, unweit sei­ner Geburts­stadt Niz­za, bevor er dann mit sei­nem zwei­ten Spiel­film Mes­ser im Herz (2018) end­gül­tig zum (Underground-)Star avan­ciert. Der Film – mit Vanes­sa Para­dis als Pro­du­zen­tin dritt­klas­si­ger Schu­len­por­nos – wird mehr­fach aus­ge­zeich­net und trifft mit sei­ner Mischung aus Komik und Tra­gik, Extra­va­ganz und Unschuld auch den Geschmack des Publi­kums. Im Anschluss ent­ste­hen meh­re­re Musik­vi­de­os und zuletzt das groß­ar­ti­ge Musi­cal Hideous, das 2023 im Wett­be­werb von Vien­na Shorts sei­ne Öster­reich-Pre­mie­re feiert.

Gon­za­lez ist ein Meis­ter des Sehn­suchs­ki­nos, er zitiert, nimmt Anlei­hen und erweist so man­chem Gen­re oder Groß­meis­ter Reve­renz, er spielt mit den Zei­chen und ord­net sie auf eine Wei­se um, die neu und äußerst unter­halt­sam ist. Sein Kino ist eine sur­rea­le Mischung aus Neon­licht, nächt­li­chen Vibra­tio­nen und selt­sa­men Cha­rak­te­ren, die eben­so graus­lig und voy­eu­ris­tisch wie schmach­tend und tief­ge­hend sein kann – und an der man sich nicht satt­se­hen möch­te. Will­kom­men in Wien! (dhe)