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27.5.–
1.6.2025

Por­trät

Amos Gitai gilt als einer der ange­se­hens­ten israe­li­schen Film­schaf­fen­den. Sein Werk, das seit Beginn der 1970er Jah­re ent­steht, stellt sowohl eine gro­ße Erzäh­lung als auch eine kri­ti­sche Ana­ly­se sei­nes Hei­mat­lan­des dar. Krieg, Kon­flikt, Ver­trei­bung, Geschich­te, Erin­ne­rung und das mensch­li­che Dasein im All­ge­mei­nen sind zen­tra­le The­men in Gitais Werk.

Bei nähe­rer Betrach­tung zeigt sich dar­über hin­aus ein Fil­me­ma­cher, des­sen Œuvre weit­aus kom­ple­xer und reich­hal­ti­ger ist, als die­se ein­fa­che Kate­go­ri­sie­rung ver­mu­ten lässt. Gitais Kunst lässt sich viel­leicht am bes­ten als stän­di­ger Auf­ruf zum Dia­log ver­ste­hen, als ein radi­kal ergeb­nis­of­fe­nes Pro­jekt, das sich in einer fas­zi­nie­ren­den Viel­falt von Ansät­zen und Geschich­ten mani­fes­tiert. Wie die meis­ten Dia­lo­ge im wirk­li­chen Leben wan­deln auch die Fil­me von Amos Gitai auf ver­schlun­ge­nen Wegen und enden oft, ohne einen Moment der Kathar­sis oder Auf­lö­sung zu errei­chen. Und schei­tern mit­un­ter auch, getreu dem Becket­t’­schen Mot­to: Geschei­tert. Egal. Wie­der ver­su­chen. Wie­der schei­tern. Bes­ser scheitern.“

Gitai kam 1950 in Hai­fa als Sohn von Efra­tia Mar­ga­lit und Munio Gitai Wein­raub zur Welt. Die Mut­ter war eine 1909 in Paläs­ti­na gebo­re­ne Intel­lek­tu­el­le und Leh­re­rin, deren Eltern der ers­ten Wel­le sozia­lis­ti­scher säku­la­rer jüdi­scher Ein­wan­de­rer ange­hör­ten, der Vater war ein aus Gali­zi­en stam­men­der, am Bau­haus aus­ge­bil­de­ter Archi­tekt. Erst nach sei­nem eige­nen Archi­tek­tur­stu­di­um ent­deck­te Gitai sei­ne Lie­be für das Kino – nicht zuletzt als Instru­ment der Sub­ver­si­on. Er begann sei­ne Film­kar­rie­re als Doku­men­ta­rist und setzt sich dabei von Anfang mit The­men aus­ein­an­der, die von ande­ren Künstler:innen sei­ner Gene­ra­ti­on igno­riert wurden.

Sein Kino schreckt nicht davor zurück, die Gewalt­tä­tig­keit zu the­ma­ti­sie­ren, durch die Geschich­te und Gegen­wart sei­nes Hei­mat­lan­des geprägt sind. Er ist ein schar­fer Kri­ti­ker sowohl der israe­li­schen Staats­po­li­tik als auch der Recht­fer­ti­gung ter­ro­ris­ti­scher Gewalt gegen Jüdin­nen und Juden als Befrei­ungs­kampf“. Den­noch wei­gert er sich, an der Eska­la­ti­on der sek­tie­re­ri­schen Gewalt, des Has­ses und der Spal­tung teil­zu­neh­men. Viel­mehr ist ihm dar­an gele­gen, Dif­fe­ren­zen zwi­schen sozia­len Schich­ten sowie unter­schied­li­chen und manch­mal gegen­sätz­li­chen Glau­bens­sys­te­men durch Inter­ak­ti­on zu über­brü­cken. (Micha­el Loeben­stein, Jurij Meden/​gekürzte Fassung)

Das Öster­rei­chi­sche Film­mu­se­um wid­met Amos Gitai im Mai und Juni eine aus­führ­li­che Retro­spek­ti­ve. Im Rah­men des Fes­ti­vals sind in Koope­ra­ti­on zwei sei­ner kür­ze­ren Arbei­ten zu sehen. (dhe)